Markus Köbeli
Biografie
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Geboren am 20ten Januar 1956 in Bern. Lebt zurzeit in Murten.
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Studium Neuere Geschichte und Philosophie an der Universität Bern.
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Längere Zeit tätig als Autor und Regisseur beim Schweizer Radio und Fernsehen für Sendungen wie Schreckmümpfeli, Zweierleier, Viktors Programm, Viktors Spätprogramm, Total Birgit, Punkt CH u.a.
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Verfasser mehrerer bekannter Theaterstücke, wie Zimmer frei, Lenin, Holzers Peepshow, ein Dauerbrenner seit vielen Jahren auf europäischen Bühnen. Sein neustes Stück «Like you» wird demnächst in Wien uraufgeführt.
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„Luchsinger und die Götter“ ist sein erster Spielfilm.
Interview über Luchsinger und die Götter
Ein Schweizer Film in Bali? Wie kam es dazu?
M.K.: Die Entstehungsgeschichte des Films ist tatsächlich speziell. Ich wurde angefragt von Orlando Bassi, der in Bali eine Perückenfabrik betreibt. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber in meiner Zeit beim Schweizer Fernsehen betreute ich Sendungen wie «Total Birgit» oder «Viktors Spätprogramm», in denen sich bekanntlich Figuren wie Elvira Iseli oder Harry Hasler und viele andere tummelten, sprich ein grosser Bedarf an Perücken vorhanden war, die zum Teil eben in Bali hergestellt wurden. Orlando ist ein Filmfreak, kann man so sagen, und hat irgendwo in der Nähe von Ubud, so ziemlich im Dschungel draussen, ein Filmstudio aufgebaut. Daher die Anfrage, ob es möglich wäre, dort etwas für den Schweizer Markt zu drehen. Zuerst stand also der Drehort fest, bevor überhaupt die Story entwickelt wurde, was natürlich unüblich ist.
Und Bali bot genügend Filmstoff?
M.K.: Ich denke schon. Ich war schnell mal bei der Idee, etwas über Schweizer Auswanderer zu machen. Das Thema ist spannend und aktuell. Es gibt ja auch sehr viele Dokureihen über das Auswandern. Der Gedanke, in der Ferne sein Glück zu suchen, fasziniert viele Menschen. Und es gibt das reale Problem der Altersarmut, Menschen, denen das Geld nicht zum Leben reicht und die es deshalb in einem Billigland versuchen. Welcher Beweggrund auch immer zum Auswandern führt, man trägt ja seine Vergangenheit irgendwie mit sich, kann sich aber nicht wirklich darauf abstützen, sondern ist konfrontiert mit einer unbekannten Kultur und Umgebung, einer ungewissen Zukunft meistens. Man muss sich quasi neu entdecken und vielleicht sogar neu erfinden. Das hat mich interessiert an diesem Stoff.
Die Geschichte, die im Film erzählt wird, ist ziemlich aussergewöhnlich? Auch die Machart des Films?
Ja, kann man so sagen. Ursprünglich ging ich von einem fragmentarischen Drehbuch aus. Einer Art Doku-Fiktion. Es sollte nicht alles festgeschrieben sein, die Schauspieler Raum zur Improvisation haben. Ich wollte die Begegnung zweier Kulturen auf eine gewisse Art tatsächlich geschehen lassen. Davon versprach ich mir eine eigene Atmosphäre, einen speziellen Groove, die den Film prägen sollten. Und da sich der Film sowieso nicht in der Schweiz finanzieren liess, war die Intention, mit sehr kleinem Team etwas «guerillamässig» zu drehen und spontan auf Situationen zu reagieren.
Aber es ist anders gekommen?
M.K.: Genau. Die Leute in Indonesien, vorab das Movie Studio Bali und Joseph Taylor, der half, den Film vor Ort zu organisieren, waren unglaublich rührig und engagiert. Irgendwann war dann mal klar, dass mich in Bali eine vierzigköpfige Crew, bestehend vorwiegend aus IndonesierInnen und AustralierInnen erwartet. Da war an eine spontane Drehweise natürlich nicht mehr zu denken. Das hätte ein Chaos gegeben. Es wurde also klassisch nach Drehbuch gedreht. Trotzdem wollte ich die Ursprungsidee nicht ganz fallen lassen. Ich habe kein Sozialdrama geschrieben, auch keine klassische Komödie. Eine zumindest pseudodokumentarische Erzählstruktur ist geblieben, auch eine ironische Distanz, eine Art humoristischer Blick auf das scheinbar unausweichliche Schicksal des ehemaligen Taxifahrers Ruedi Luchsinger in Bali, so könnte ich es beschreiben. Lakonie und Humor sollten prägende Elemente sein, die die Dramaturgie des Films mitbestimmen. Ich habe also weniger auf Interaktion gesetzt, sondern auf einen gewissen «groove», eine spezielle Stimmung, die diese Geschichte über «verlorene Seelen» im Paradies tragen soll.
Und das in Schweizerdeutsch? Wie ging das denn?
M.K.: Wir haben uns auf dem Filmset in Englisch verständigt. Die technische Seite des Filmemachens und die Abläufe auf dem Set sind ja fast international standardisiert, das ging also ganz gut. Nur nach dem Fallen der Klappe haben die Schauspieler ihre Dialoge in schweizerdeutsch gehalten, was der Grossteil der Crew natürlich nicht verstanden hat, nicht einmal der australische Tonmeister. Das war schon irgendwie komisch. Aber natürlich wussten alle, worum es geht, es gab ja auch eine englische Fassung des Drehbuchs.
Also gar kein grosser Unterschied zu einem Dreh in der Schweiz?
M.K.: Doch schon. Vor allem was den Umgang mit den Behörden und die Mentalität der indonesischen Crewmitglieder betrifft. Die Behörden wollen detailliert informiert sein, da gibt es viele Meetings, da wollen diverse Behördenmitglieder begrüsst sein. Wenn diese Hürden genommen sind, dann hat man dafür einen unglaublichen Support. Wir haben zum Beispiel eine Szene an einer Strasse gedreht, und plötzlich sind keine Autos mehr gekommen. Ich habe dann realisiert, dass die Polizei ohne unser zutun sofort die Strasse gesperrt hat, bis ich intervenierte, weil ich den Verkehr für ein authentisches Bild brauchte. Und die Balinesen sind sehr empfänglich dafür, dass man ihre Kultur respektiert und ernst nimmt. Das erleichtert die Zusammenarbeit ungemein. Vor Drehbeginn gab es zum Beispiel eine Zeremonie in einem hinduistischen Tempel, damit die Produktion gut verlaufen wird. Ich bekam dann ein geweihtes Armband verpasst, das ich während der Drehzeit nicht abnehmen sollte, was nicht ganz einfach war bei Hitze und Feuchtigkeit. Ich habe davon einen Ausschlag gekriegt, aber was tut man nicht alles für den Segen der Götter für dieses Projekt. Die Götter sind eben allgegenwärtig in Bali.